Der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erarbeitete „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht“ beinhaltet zahlreiche neue rechtliche Pflichten, mit deren Hilfe Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Inkassoforderungen geschützt werden sollen. In einer gemeinsamen Stellungnahme reagieren der BvCM und sechs andere Wirtschaftsverbände auf den Entwurf.
Neben der Einführung neuer Hinweis- und Aufklärungspflichten für Gläubiger gegenüber Verbrauchern bzw. Privatpersonen sieht der Entwurf nahezu eine Halbierung der erstattungsfähigen Gebühren für Inkassodienstleistungen im außergerichtlichen Bereich vor. Das hätte erhebliche Folgen für die Realisierungsquoten, für die Zahlungsmoral und damit für die Wirtschaft als Ganzes.
Aus Sicht der unterzeichnenden Wirtschaftsverbände sollten im weiteren Gesetzgebungs-verfahren folgende Überlegungen berücksichtigt werden.
Hinweispflichten
Der Gesetzentwurf sieht im Wege eines neuen § 288 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Entwurfsfassung (BGB-E) vor, dass Verbraucher gegenüber einem Unternehmer wegen der Verzögerung der Leistung nur noch dann zum Ersatz der Kosten eines Inkassodienstleisters beziehungsweise eines Rechtsanwalts verpflichtet sind, wenn sie vom Unternehmer rechtzeitig auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sind.
Die Unterzeichner lehnen diese Neuregelung ab. Eine typische ins Inkasso übergebene Forderung ist bereits drei bis vier Monate alt, der Schuldner hat neben der Rechnung zwei bis drei zusätzliche Mahnungen vom Gläubiger erhalten und befindet sich seit zwei bis drei Monaten in Verzug. Üblicherweise hat der Schuldner also nicht nur hinreichend Zeit erhalten, die Forderung zu begleichen, sondern er ist auch schon mehrfach auf die ausstehende Zahlung hingewiesen worden. Die Etablierung einer – in vielen Fällen zusätzlichen – Hinweispflicht auf mögliche Rechtsverfolgungskosten ist nicht angemessen. Das gilt umso mehr, weil die Beweislast in Bezug auf den Zugang des Hinweises beim Gläubiger läge, was obstruktiven Schuldnern zusätzliche Möglichkeiten böte, die Zahlung weiter zu verzögern.
Zumindest sollte im Gesetz festgehalten werden, dass der Hinweis gegebenenfalls auch bereits im Vertragsdokument, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der Rechnung enthalten sein kann.
Datumsangabe
Der Gesetzesentwurf sieht in § 13a Abs. 1 Nr. 2 RDG-E für Inkassodienstleister die Verpflichtung vor, mit der ersten Geltendmachung der Forderung gegenüber einer Privatperson dieser unter anderem das Datum des Vertragsschlusses zu übermitteln. Diese Informationspflicht betrifft auch die Gläubiger, da diese die Informationen dem Inkassodienstleister bei Auftragserteilung zusammen mit der jeweiligen Forderung übermitteln müssten.
Die unterzeichnenden Verbände sehen diese Informationspflicht als nicht zielführend an: Sie führt zu einem deutlichen Verwaltungsmehraufwand für die Gläubiger, sorgt aber beim
Schuldner nicht unbedingt für mehr Klarheit.
So ist gerade bei mehrjährigen Dauerschuldverhältnissen dem Schuldner das Datum des Vertragsabschlusses nicht mehr unbedingt bekannt, so etwa bei langjährigen Telefonieverträgen. In diesen Fällen wird für den Schuldner beispielsweise ein Bezug auf die letzte Rechnung oder Bestellung besser nachvollziehbar sein. Wir plädieren daher dafür, die Pflicht zur Angabe des Datums des Vertragsschlusses durch eine weitere Formulierung zu ersetzen, die alternativ die Angabe von Rechnung, Lieferung oder ähnlichem erlaubt. Sollte der Schuldner darüber hinaus das Datum des Vertragsschlusses benötigen, so gewährt ihm § 13a Abs. 2 Nr. 3 RDG-E das Recht, diese auf Anfrage vom Inkassodienstleister zu erhalten.
Halbierung
Der Gesetzentwurf sieht bezüglich der Inkassokosten vor, zusätzlich zur in Nummer 2300 VV RVG bereits bestimmten allgemeinen Schwellengebühr (1,3) auch eine besondere Schwellengebühr für die Einziehung unbestrittener Forderungen festzulegen. Die Schwelle soll dabei bei einem Gebührensatz von 0,7 liegen. Die vorgesehene Gebührendeckelung beträfe rund 85 Prozent der Inkassoverfahren. Die Unterzeichner dieses Papiers erkennen ausdrücklich das Ziel des Gesetzgebers an, die Inkassokosten für diejenigen Schuldner zu reduzieren, die als Verbraucher „versehentlich“ bzw. „einmalig“ in Zahlungsverzug geraten sind. Mit der komplett undifferenzierten Gebührensenkung verfehlt der Entwurf dieses Ziel.
Im Gesetzentwurf wird festgestellt, dass ein Missverhältnis zwischen Inkassokosten und Hauptforderung bei geringen Forderungen augenfällig wird (S. 18). Anstatt die Inkassokosten konsequent und ausschließlich in diesem Bereich zu regulieren, sieht der Gesetzentwurf eine Deckelung über alle Streitwertklassen/Forderungshöhen vor. Das ist nicht verhältnismäßig.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Verbraucher zu schützen. Anstatt die Gebührendeckelung konsequent auf Forderungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern (b2c) zu beschränken, gälte die Gebührendeckelung aber auch für gewerbliche Schuldner (b2b). Das ist nicht nur inkonsequent und unverhältnismäßig; es konterkariert auch völlig die Ziele, die der europäische Richtlinien-Gesetzgeber und der deutsche Gesetzgeber bei der Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr verfolgen.
Der Gesetzentwurf unterscheidet nicht zwischen Verbrauchern und Schuldnern und ignoriert im Übrigen unterschiedliches Schuldnerverhalten. So werden alle Schuldner durch die (de facto) Halbierung der erstattungsfähigen Inkassokosten bessergestellt. Konsequent und nachvollziehbar wäre aber ausschließlich eine Privilegierung derjenigen Schuldner, die auf das erste Inkassoschreiben unmittelbar zahlen. Stattdessen profitieren von der Regelung auch zahlungsunwillige Schuldner, die sich ihren vertraglichen Pflichten auch nach Einschaltung eines Inkassounternehmens beharrlich entziehen wollen. Auch ist nicht ersichtlich, warum keine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen verschiedener Schuldnergruppen erfolgt. Dass auch „deliktische“ Schuldner (Eingehungsbetrüger, Schwarzfahrer) privilegiert werden sollen, liegt auf jeden Fall weit außerhalb des legitimen Regelungsbedarfs.
In dieser undifferenzierten Betrachtung gefährdet der Gesetzentwurf die Funktionalität des Forderungseinzugs durch Inkassodienstleister und Rechtsanwälte. Die nahezu Halbierung der erstattungsfähigen Inkassokosten würde zu einer drastischen Einschränkung des außergerichtlichen Dienstleistungsangebots im Forderungseinzug führen.
Belastung der Gerichte
Zunächst darunter leiden würden die Auftraggeber und damit die Gläubiger. Denn entweder bliebe eine höhere Anzahl der außergerichtlichen Inkassoverfahren ohne Erfolg oder der Forderungseinzug träte unter massiver Zuhilfenahme (und Belastung) der Gerichte verzögert und mit einer erheblichen Steigerung von Rechtsverfolgungskosten ein.
Die Folgen einer undifferenzierten Inkassoregulierung müssten aber letztlich die Verbraucher tragen, also die Gruppe, die eigentlich geschützt werden soll:
Denn längere Dauer des Verzugs, sinkende außergerichtliche Beitreibungsquoten und ein Anstieg der Zahlungsausfälle würden von der Wirtschaft in vielen Sektoren durch steigende Konsumentenpreise kompensiert.
Sieben Verbände auf einen Streich
Die Stellungnahme wurde von insgesamt sieben Wirtschaftsverbänden unterzeichnet:
Bankenfachverband e.V. (BFACH)
Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh)
Bundesverband Großhandel Außenhandel Dienstleistungen e.V. (BGA)
Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. (BKS)
Bundesverband Credit Management e.V. (BVCM)
VATM e.V. Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten
VKU Verband kommunaler Unternehmen e.V.