Wie lassen sich in der Coronakrise Unternehmen bewerten? Diese Frage stand beim jüngsten Roundtable der BvCM-Region Nord im Mittelpunkt. Anhand eines Praxisbeispiels erläuterten die BÄKO HANSA und die Schufa, wie das Risikomanagement optimiert werden kann. Fazit: Allgemeine Branchenbeurteilungen sind nicht zielführend. Stattdessen muss jeder Kunde individuell betrachtet werden.
Der Roundtable begann mit einer Blitzumfrage. Die Ergebnisse: 82 Prozent der Teilnehmer sind davon überzeugt, dass sich die Bewertung von Unternehmen in einer Krisenzeit ändern muss. Und 72 Prozent erwarten, dass die Insolvenzzahlen erst im zweiten Quartal 2021 oder im ersten Quartal 2022 steigen werden. Einig waren sich die Teilnehmer, dass die gegenwärtige Krise auch Chancen biete.
Praxisbeispiel
Anhand eines Praxisbeispiels zeigten die BÄKO HANSA und die Schufa, wie durch gezieltes Portfolioscreening das Risikomanagement optimiert werden kann. Die Kooperation zwischen BÄKO HANSA und der Schufa beruht übrigens auf einem digitalen Netzwerktreffen des BvCM. Bei der Online-Regionalkonferenz Nord 2020 haben sich Vertreter beider Unternehmen kennengelernt – und im Anschluss erste direkte Gespräche geführt. Mit positiven Ergebnissen für BÄKO HANSA.
Die Ausgangslage: BÄKO HANSA ist ein Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen für Bäckerei- und Konditoreibedarf in Norddeutschland. Zu den Leistungen gehört auch die Finanzierung von Maschinen und Geräten. Vom Firmensitz in Hamburg aus werden zahlreiche kleine Bäckereien beliefert, die teilweise über eine angeschlossene Gastronomie verfügen. Eine Branche, die von der Corona-Pandemie unterschiedlich stark betroffen ist. Was bedeutet das für das Risikomanagement der BÄKO HANSA? Vor welchen Herausforderungen steht das Unternehmen? Welche Kunden sind vom Lockdown besonders betroffen? Und welche Folgen hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?
Im ersten Schritt wurde die Situation analysiert und der Bedarf festgestellt. Das Ergebnis: Die BÄKO HANSA benötigt eine valide Risikoüberprüfung des Kundenportfolios und eine permanente Überwachung, um Veränderungen festzustellen. Vor allem die Einschätzung der Unternehmen, die als Einzelkaufmann organisiert sind, sollte verbessert werden. Zudem sollten die Frühwarnindikatoren deutlicher erkennbar sein.
Private Bonität des Geschäftsführers
Der Mehrwert der Schufa: Das Unternehmen verfügt über mehr als eine Milliarde gespeicherter Daten. Besonders hilfreich für BÄKO HANSA ist die Kombination zwischen Unternehmensdaten und Personendaten. „90 Prozent der deutschen Unternehmen haben weniger als 20 Mitarbeiter und einen Umsatz unter 5 Millionen Euro“, berichtete Kirsten Seidensticker, Senior Account Manager Handel und Industrie bei der Schufa. Bei diesen inhabergeführten Unternehmen sei die Relation zwischen der privaten Bonität von Gesellschaftern und Geschäftsführern und der Lage des Unternehmens besonders eng. Das könne über den Schufa-Datenbestand gut abgebildet werden. Für BÄKO HANSA geht es dabei insbesondere um die Besitzer von kleinen Gastronomiebetrieben, aus denen die Kundschaft überwiegend besteht.
Auf dieser Grundlage haben sich die Schufa und BÄKO HANSA auf ein Portfolio-Screening geeinigt. Dieses beinhaltete sowohl Stamm- und Identifikationsdaten (Firmenname, Adresse, Rechtsform) als auch Bonitätsinformationen (Bonitätsindex, Ausfallquote, Kreditlimitempfehlung, B2B-RiskManagementIndex und B2B-Branchenvergleich). Dabei gilt es, Folgendes zu beachten: Der B2B-RiskManagement-Index prognostiziert nicht die Eintrittswahrscheinlichkeit eines definierten Ereignisses, er ist also nicht als ein „Score“ zu verstehen.
Strukturierter Ablauf
Der Ablauf des Screenings ist klar strukturiert: Die BÄKO HANSA lieferte die Kundenstammdaten an die Schufa, wo die Daten zunächst maschinell eindeutig zugeordnet und anschließend manuell nachbearbeitet wurden. Nach der Datenqualifizierung folgte die Datenanreicherung mit Informationen der Schufa. Anschließend wurden die Daten an BÄKO HANSA zurückgesandt und dort mit der eigenen Bonitätsbeurteilung abgeglichen. Das Ergebnis des Portfolioscreenings: Bonitätsveränderungen werden jetzt sofort sichtbar. Für die BÄKO HANSA ein wichtiger Schritt im Risikomanagement.
Ein Beispiel, wie es nicht geht, lieferte übrigens das Bundeswirtschaftsministerium. Coronahilfen wurden teilweise ausgezahlt, ohne dass die Kontoangaben der Unternehmen geprüft wurden. Und kurz darauf wunderte sich das Ministerium über Betrugsfälle…ein Fall, der bei den Teilnehmern nur Kopfschütteln auslöste.
Stephan Glismann-Bringmann, Regionalkoordinator Nord, zog als Fazit der Veranstaltung: „Es ist wichtig, nicht nur Branchen pauschal zu betrachten, sondern genauer hinzusehen.“ Als Beispiel nannte er Brauereien: Die Brauereien, die Flaschenbier verkaufen, haben deutlich weniger Probleme als Brauereien, die Fassbier an die Gastronomie und Festivalbetreiber verkaufen. Die haben seit einer ganzen Weile gar keine Umsätze mehr.
Das nächste Highlight der BvCM-Region ist übrigens schon in Sicht: Die Regionalkonferenz Nord steht am 10. Juni von 13 bis 17 Uhr auf dem Programm. Informationen und Anmeldung: www.credit-manager.de