In vielen Branchen läuft es derzeit wesentlich besser als erwartet. Wie es mit dem Schutzschirm im Bereich Kreditversicherungen weitergeht, ist derzeit noch ungewiss. Und die Insolvenzentwicklung ist ebenfalls nicht abzusehen. Zu diesen Ergebnissen kamen die Teilnehmer der aktuellen Präsentation des BvCM zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie. An der Befragung hatten 138 Credit Manager teilgenommen.
Zum Einstieg in das Online-Meeting gab BvCM-Vorstandsmitglied Fernando da Silva einen Überblick zur Lage im Bereich Kreditversicherungen. Der Schutzschirm, der im Frühjahr 2020 zwischen Bundesregierung und den Kreditversicherern beschlossen wurde, habe für Stabilität in den Lieferketten gesorgt. Die Deckungssumme sei gegenüber 2019 nicht gesunken und die Schadenssumme lag sogar leicht unter dem Vorjahr. Wie es aber nach dem 30. Juni dieses Jahres mit diesem Instrument weitergehe, sei bisher nicht abzusehen; das Thema werde zurzeit kontrovers diskutiert, so Fernando da Silva. Besonders schwierig sei zurzeit die Insolvenzprognose, was wiederum die Risikoeinschätzung erschwere.
Die Kreditversicherer gehen mit der Corona-bedingten Risikosituation sehr unterschiedlich um. Die Bandbreite reiche von restriktiven Maßnahmen bis zu abwartender Gelassenheit. „Das heißt, es wird nach Ende des Schutzschirmverfahrens vermutlich eine größere Wechselbereitschaft zwischen den Versicherern geben“, so die Einschätzung des BvCM-Vorstands.
Anschließend stellten Jan Schneider-Maessen, geschäftsführender Vorstand des BvCM, und Stephan Glismann-Bringmann, Regionalkoordinator Nord, die Ergebnisse der achten Umfrage des BvCM zu den Folgen der Corona-Pandemie vor. 138 Credit Manager hatten sich an der ersten Umfrage in diesem Jahr beteiligt. Zu den spannenden Fragen zählte die Kooperation mit dem Vertrieb – wie hat sie sich entwickelt? Rund 50 Prozent der Befragten gaben an, dass die Zusammenarbeit gestärkt wurde. Dieser Wert hat sich in den vergangenen Monaten eingependelt.
Zehn Prozent der Befragten haben ihre Kundenstammdaten erweitert. Dazu zählen Aspekte wie „Staatshilfe in Anspruch genommen?“, „Mahnblock für Überfälligkeiten infolge von Corona“ und „Haftungsrelevante Elemente“. Ihre Risikoklassifizierung haben immerhin 20 Prozent der Befragten geändert. „Das klingt auf den ersten Blick wenig. Aber aufgrund der undurchsichtigen Insolvenzlage stellt sich natürlich die Frage, wie die Klassifizierung geändert werden soll“, kommentierte Stephan Glismann-Bringmann.
Bei den Kreditlimits ist festzustellen, dass nach einer Zunahme im vergangenen Jahr jetzt ein rückläufiger Trend zu beobachten ist. Hatten im Oktober noch 60 Prozent der Befragten ihre Limite für Kunden angepasst, so waren es jetzt nur noch weniger als 50 Prozent. Bei den Sicherheiten ist ein neuer Punkt hinzugekommen: die persönliche Garantie des Geschäftsführers und oder der Gesellschafter. Die Zahl der bewussten Zahlungsüberschreitungen durch Kunden ist gegenüber der letzten Umfrage wieder leicht gestiegen. Zurückgegangen ist dagegen die Anzahl der langfristigen Teilzahlungsvereinbarungen zwischen 90 und 180 Tagen. Etwas überraschend ist der Anteile der Unternehmen, die Liefersperren verhängt haben, rückläufig.
Neu war die Frage nach Branchen, die nicht mehr beliefert werden. Überraschend waren die Antworten nicht: Schiffbau, Stahlindustrie, Automotive und Gaststätten werden von Teilnehmern der Umfrage nicht mehr beliefert. Vom Brexit dagegen spüren die Teilnehmer kaum etwas. Die letzte Frage betraf den Bundeskongress des BvCM im Oktober dieses Jahres: „Werden Sie in Hamburg vor Ort sein?“ Die Antworten spiegelten die unterschiedlichen Gedanken der Wirtschaft wider: Knapp die Hälfte der Befragten wäre gerne vor Ort, gut die Hälfte kann sich persönliche Treffen in diesem Jahr noch nicht vorstellen. Der BvCM arbeitet derzeit an einem Konzept, das die Wünsche der Mitglieder vereint.
Es folgte eine lebhafte Diskussion über die Ergebnisse der Umfrage. Kristina Borrmann von Solvenznavigation berichtete von „beängstigend guten Zahlen“ ihrer Kunden. „Wenn ich die Zahlen meiner Kunden sehe, kann ich es kaum glauben. Egal, ob Anlagenbau, Wohnungsbau, Autowerkstätten – bei allen läuft es extrem gut.“ Andere Teilnehmer berichteten von überraschenden Insolvenzen – von Kunden, die bis zuletzt mit Skonto gezahlt haben. BvCM-Präsident Rudolf Keßler berichtete aus seiner früheren Praxis bei der Baywa, dass es dort auch A-Kunden gegeben habe, die bis zuletzt ihre Hauptlieferanten gut bezahlt haben, aber bei anderen schon deutlich schlechter gezahlt hätten. Als nichts mehr ging, sei als Letzter auch der Hauptlieferant leer ausgegangen.
Stephan Glismann-Bringmann empfahl, genau hinschauen, nicht ganze Branchen allgemein zu bewerten. „Brauereien, die Fassbier liefern, haben Probleme, beim Flaschenbier dagegen läuft es gut. Unternehmen, die der Automobilindustrie Auspuffteile liefern, bekommen Schwierigkeiten, Zulieferer für Elektroantriebe dagegen nicht“, verdeutlichte er. Weitere Teilnehmer berichteten davon, dass derzeit viele kleine Unternehmen wie Geschäfte und Restaurants einfach schließen, ohne in die Insolvenz zu gehen. Die Eigentümer gehen in den Ruhestand oder haben sich inzwischen andere Jobs gesucht.
Jan Schneider-Maessen schloss die Diskussion mit den Worten: „Lassen Sie uns zuversichtlich bleiben und jeden Tag genießen, den wir ohne Insolvenzen auskommen.“ Rudolf Keßler dankte abschließend allen Teilnehmern für die angeregte Diskussion. Im zweiten Quartal dieses Jahres folgt die nächste Umfrage.