Die Risiken infolge der Corona-Pandemie sind nach wie vor vorhanden, haben sich nur noch nicht materialisiert. Credit Manager müssen neben solchen Risiken auch zunehmend Chancen im Blick halten. Und die Anforderungen an die Auskunfteien steigen kontinuierlich. Das waren einige der Erkenntnisse einer Expertengesprächsrunde auf dem jüngsten Bundeskongress des BvCM.
Was sind die aktuellen Herausforderungen im Credit Management? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Expertenrunde. Moderator Fernando Da Silva CCM, Vorstandsmitglied des BvCM, stieg mit der Frage nach der Insolvenzentwicklung ein. So hatten im vergangenen Jahr alle Experten für 2021 eine Insolvenzwelle vorhergesagt. „Warum ist sie ausgeblieben?“, lautete seine Eingangsfrage. Jens Junak, Country Manager Creditsafe Deutschland GmbH, sagte: „Die Aussichten sind jetzt deutlich positiver als vor einem Jahr. Nach dem deprimierenden Frühjahr mit dem langen Lockdown für Gastronomie und Einzelhandel stehen die Zeichen für 2022 wieder auf Wachstum. Die Zwanziger Jahre starten erst 2022.“ Deshalb werde es auch im kommenden Jahr keine dramatische Insolvenzwelle geben, sondern eher eine moderate Steigerung der Fälle. Dr. Frank Schlein, Geschäftsführer von CRIFBÜRGEL, wies auf die große Steigerung der Privatinsolvenzen hin: von 58.000 im vergangenen Jahr auf schätzungsweise 120.000 in diesem Jahr. „Außerdem sehen wir ein Potenzial von 500.000 gefährdeten Unternehmen. Als Credit Manager müssen wir sehr genau hinschauen.“ Die Risiken seien schwieriger zu erkennen als vorher, hätten sich 2021 aber auch nicht materialisiert.
Horst Döller CCM, Projektmanager TÜV Rheinland Cert GmbH, bestätigte diese Einschätzung: „Das Risiko ist da. Ob es sich materialisiert, liegt am Management.“ Jede Krise führe dazu, das eigene Tun zu überdenken. Dabei zeige sich die Qualität der Unternehmensführungen. Jens Köhler, Leiter Controlling BÄKO HANSA e.G., ergänzte aus Sicht der Bäckereibranche: „Das Bäckereisterben hat schon vor Corona angefangen. Wir als BÄKO haben einen Förderauftrag, unterstützen somit unsere Kunden. Deshalb müssen wir mittlerweile mehr Risikodeckung einplanen, eventuell Zahlungsziele verlängern.“
Umwälzung
Anschließend erinnerte Fernando da Silva an eine Aussage aus dem vergangenen Jahr: Dr. Frank Schlein hat für die Informationsbranche die „größte Umwälzung der vergangenen 20 Jahre“ prognostiziert. Dazu stehe er auch heute noch, sagte der Geschäftsführer von CRIFBÜRGEL. Die 2020 vorhandenen Daten über Unternehmen waren nicht prognosefähig. Zwar habe sich das prognostizierte Risiko nicht materialisiert, doch veränderten sich die Anforderungen an die Auskunfteien. „Kunden wollen wissen, wieviel Hilfe ihre Kunden bekommen haben, ob es Hinweise auf Betrugsverdacht gibt. Wir reagieren beispielsweise mit automatisierten Lösungen für die Weiterleitung und Verarbeitung von Finanzkennzahlen.“
Jens Junak teilt die Einschätzung: „Dies ist ein guter Zeitpunkt, um über einen offenen Umgang mit Daten zu sprechen. In Skandinavien beispielsweise sind viel mehr Daten zugänglich. Hätten wir diese Möglichkeiten auch in Deutschland, könnten wir viel besser positive wie negative Daten bündeln. Gerade die positiven Daten sind doch für die Unternehmen interessant.“ Hier sieht er eine Aufgabe für die Politik. Auch das Credit Management müsse immer mehr Dinge berücksichtigen. „Wie ist das Wetter in Japan? Kann das Auswirkungen auf die Lieferketten haben? Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen“, so Jens Junak.
Risiken und Chancen
Im modernen Credit Management geht es nicht nur um Risiken, sondern auch Chancen. Horst Döller: „Wir reden über Risiken, dürfen dabei aber die Chancen nicht vergessen. Wir müssen dem Vertrieb Informationen liefern, wo er zusätzliche Umsätze erzielen kann.“ Dem pflichtete Dr. Frank Schlein bei: „Wir müssen von Risikosicht auf Potenzialsicht gehen. Im B2C-Bereich ist Conversion der Treiber. Da muss die Perspektive auch im B2B-Bereich hingehen.“
Jens Köhler ergänzte: „Auch bei uns geht es um Chancen. Eine große Rolle spielen zum Beispiel treue Kunden. Deshalb müssen wir denen auch etwas zurückgeben und dem Vertrieb mehr Kompetenzen geben, wenn mal ein Kunde etwas länger zum Bezahlen braucht. Schließlich sitzen wir alle in einem Boot.“
Horst Döller brachte es mit einem Bild aus der Fußballwelt auf den Punkt: „Im modernen Fußball greifen die Verteidiger mit an, während die Stürmer in der Verteidigung helfen. Dies lässt sich auch auf Credit Management und Vertrieb übertragen. Das Credit Management unterstützt den Vertrieb, der Vertrieb unterstützt das Credit Management. Dann hat die Mannschaft auch Erfolg.“
Ein ausführlicher Bericht folgt in der nächsten Ausgabe des Magazins Der CreditManager.