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6. Working Capital Management Symposium – Lieferketten krisenfest machen

Es wird noch eine Weile dauern, bis die Halbleiterkrise gelöst ist. Bei Shell hat es trotz Corona keinen einzigen Zahlungsausfall gegeben. Und im Zoll hat sich der Verwaltungsaufwand massiv vergrößert. Das sind drei der Erkenntnisse des jüngsten Working Capital Management Symposiums, das der BvCM zusammen mit dem Internationalen Controller Verein im Rahmen eines Online-Meetings organisiert hat.

„Haben wir das ‚Just in time‘-Prinzip überzogen?“ Mit dieser Frage leitete Prof. Dr. Heinz-Jürgen Klepzig den inhaltlichen Part des Symposiums ein. Die Autoindustrie brumme, so der Professor, doch es werde Kurzarbeit angeordnet – aufgrund von Materialmangel. Zur Beantwortung dieser Frage gewährte Dr. Volker Dörrsam, Senior Director Supply Chain Excellence and Digitalization bei der Infineon Technologies AG, Einblicke in die Situation der Halbleiterbranche. Infineon zählt zu den zehn größten Halbleiterproduzenten. Das heißt in Zahlen: Das Unternehmen beschäftigt 46.700 Mitarbeiter, von denen 7.800 in der Forschung & Entwicklung arbeiten. Die Belegschaft verteilt sich über mehr als 70 Standorte.

Lange Produktionszeit

„Der Ausbruch der Coronapandemie führte zu einem großen Einbruch in der Produktion unserer Kunden. Niemand konnte vorhersehen, wann und wie die Erholung verläuft“, blickte Dr. Volker Dörrsam zurück. Die Nachfrage habe sich dann erstaunlich schnell erholt, was zu einem immensen Bedarfssprung geführt habe. Und das sei der Grund für die jetzigen Lieferengpässe. Warum? „Die Produktion von Halbleitern dauert im Durchschnitt 120 Tage, zusammen mit den letzten Test- und Verarbeitungsschritten kommen wir auf fünf bis sechs Monate“, erklärte Dörrsam. Deshalb könne die Branche gar nicht so schnell auf die sich rasch verändernde Nachfrage reagieren. „Zudem arbeiten wir schon 24/7. Das heißt, dass wir die Produktion durch Zusatzschichten gar nicht steigern könnten – wir sind bereits am Limit.“ Eine Erweiterung der Produktion würde mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen und somit die aktuelle Krise nicht lösen.

GrafikWCMS

Erschwerend komme hinzu, dass die Kunden teilweise bei mehreren Chip-Produzenten das Gleiche bestellen, was den tatsächlichen Bedarf der Branche verfälsche. Jetzt stellt sich für die Chiphersteller die entscheidende Frage: „Welche Produkte brauchen wir wirklich und in welcher Anzahl?“ Unabhängig von dem Ergebnis arbeitet Infineon an einem Optimierungskonzept. Sein Appell: „Wir müssen über alle Grenzen hinweg besser kommunizieren, damit wir uns in der Lieferkette strategisch auf solche Situationen einstellen können.“ Denn die jetzige Krise sei sicher nicht die letzte…

Keine Forderungsausfälle

Die Coronakrise spüren auch die Kunden von Shell. Entsprechend aufmerksam muss das Credit Management des Energieriesen agieren. Wie das gelingt, erläuterte Marcus Rapelius, Credit Manager bei der Shell Deutschland Oil GmbH. Im vergangenen Jahr haben er und seine KollegInnen den „Exzellenz in Credit Management“-Award des BvCM gewonnen. Der Grund: Dem Team ist es gelungen, das Credit Management bei Shell Trade & Supply vom traditionellen Forderungsmanagement zum strategischen Value Management zu entwickeln. Die wichtigsten Schlüsselfaktoren auf dem Weg dorthin: „Den Kunden kennen. In den Bilanzen kann man viel verstecken, aber wenn man mit seinen Kunden spricht und vertrauensvoll kooperiert, erfährt man, wie es ihnen tatsächlich geht.“ Wichtigste Grundlage für die Kundennähe ist die enge Zusammenarbeit mit dem Vertrieb. Die habe schon vor vielen Jahren im gemeinsamen „Credit Stammtisch“ begonnen und sei inzwischen deutlich intensiviert und strukturiert worden.

Mit Erfolg: „Wir sind bisher ohne Forderungsausfall durch die Coronakrise gekommen.“ Zudem sei der Wert der Überfälligkeiten dank eines sehr effektiven Forderungsprozesses um 40 Prozent gesunken. All das habe positive Auswirkungen auf das Working Capital.

Immenser Verwaltungsaufwand

Im Coronatrubel beinahe untergegangen ist der Brexit. Welche Folgen hat der Austritt Großbritanniens aus der EU für die Zollabfertigung? „Für die Verzollung an sich hat der Brexit kaum Konsequenzen. Wir wissen, wie das bei anderen Ländern funktioniert, deshalb ist das mit Großbritannien nicht so spektakulär. Wir haben entsprechend die Ressourcen erweitert. Das Problem liegt woanders: Der Verwaltungsaufwand ist massiv gestiegen“, berichtete Reinhard Fischer Vice President, Corporate Customs & Global Customs Office Deutsche Post DHL. Ein Aspekt ist die Terrorabwehr. Um zu vermeiden, dass beispielsweise eine Bombe in einem Container versteckt einen Hafen erreichen kann, gibt es ein neues und umfassendes Voranmeldesystem für Warenlieferungen. „Dieses System hat keinerlei fiskalische Grundlagen, es geht dabei ausschließlich um Gefahrenabwehr. Der Plan, dass es zum 1.10.2021 weltweit einsatzbereit ist, lässt sich aber jetzt schon nicht mehr halten.“

„Schlechte Gesetzgebung“

Eine andere Herausforderung birgt die neue Umsatzsteuerregelung für den Onlinehandel, nach der ab dem ersten Euro Umsatzsteuer fällig wird. Die bisherigen Freigrenzen sind nicht mehr gültig und Anbieter aus Nicht-EU-Ländern müssen sich in der EU registrieren. „Dabei fallen ab dem 1. Juli Millionen Sendungen unter die neue Umsatzsteuervorschrift. Mit diesem Preisanstieg rechnen die Kunden nicht, was zu einer großen Zunahme der Retouren führen wird. Das ist das Ergebnis schlechter Gesetzgebung“, kritisierte Fischer.

Der dritte Problempunkt ist die zersplitterte IT-Landschaft. „Jedes Land hat eine eigene Zoll-IT, hinsichtlich der Digitalisierung leben wir hier in der Steinzeit. Von Harmonisierung keine Spur“, so Fischer. Und das wiederum treibe die Kosten für Unternehmen unnötig in die Höhe. Hier herrsche Handlungsbedarf. „In Großbritannien sehen wir, dass die Regierung Dinge ändert, wenn das gut für die Wirtschaft ist. Die EU dagegen zieht sich auf die Buchstaben des Gesetzes zurück. Da fragt man sich ernsthaft, ob Japaner oder Chinesen überhaupt noch in der EU investieren wollen.“

„Gefährliches Halbwissen“

Über neue SAP-Lösungen für Credit Manager und die Erfahrungen mit den Vorgängerversionen berichtete John Harmath von Limesso Consulting & Services. So konnte er einige Optimierungen präsentieren, die auf Praxiserfahrungen beruhen. Die Lösung SAP FSCM beispielsweise, die seit 2005 verfügbar war, wurde – so Harmaths Erfahrung – nur selten vollständig genutzt. So wurde die Lösung bei vielen Kunden nur teilimplementiert und waren die Funktionalitäten oft nicht bekannt. „Bei der Einführung in Unternehmen handelte es sich in vielen Fällen um ein reines IT-Projekt ohne dazugehörige Roadmap. Ich bin diesbezüglich viel gefährlichem Halbwissen begegnet“, berichtete Harmath.

Aus FSCM wurde inzwischen Receivables Management – mit mehreren Verbesserungen wie einer Optimierungslösung für das Working Capital. Neben neuen Lösungen mit Echtzeitdaten und Prognosefunktionen sind Funktionen für Künstliche Intelligenz vorhanden und SAP-Automatisierungslösungen integriert.

„Nur die halbe Lösung“

Der wichtigste Punkt für Credit Manager: „Beim Receivables Management-Prozess ist Credit Management nur die halbe Lösung. Ohne Collections Management und Dispute Management lässt sich nicht das volle Potenzial ausschöpfen. Viele unterschätzen dies.“

Fazit: „Die Führung bei einem Prozess zur SAP-Einführung muss aus dem Management kommen. Dort müssen Lösungsvisionen für die nächsten zehn Jahre entwickelt werden. Daran kann ich als Berater anknüpfen und die erforderlichen Budgets und Ressourcen berechnen. Mit der Grundlizenz jedenfalls lassen sich schon 90 Prozent aller Fragen abbilden.“ Die Durchlaufzeit für die Implementierung belaufe sich durchschnittlich auf zwei bis drei Jahre. Bei großen Konzernen können daraus schon mal fünf bis sieben Jahre werden.

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